NORDSEEBAD SAHLENBURG
Kaum einer der Besucher von Sahlenburg kommt nicht in Berührung mit dem Hamburg`schen Seehospital Nordheimstiftung, heute unter Leitung der Helios Klinik. Sei es völlig unbewußt durch den bequemen und direkten Weg über das Klinikgelände zum Strand, in Erinnerung als ehemaliger Patient oder auch als Mitarbeiter von Damals der sich heute hier nur noch mit einer Gänsehaut anwendet.
Egal warum, wann und wie, die Details und Wissenswertes rund um die Geschichte des Geländes sind immer eng mit dem Ort Sahlenburg verknüpft. Dazu findet sich hier eines der ältesten Gebäude von Sahlenburg, das sog. Mathilde Emden Haus mit seiner bemerkenswerten Bedeutung sowohl als ehemaliges Mahnmal der Hilfe für benachteiligte Kranke als auch als heutiger Zeuge des Beginns von Untergang und Vergessens.
Das stillgelegte Mathilde Emden Haus der Nordheimstiftung
Erst um die Jahrhundertwende kam die Erkenntnis der Heilwirkung von Seeklima auch so langsam in Deutschland an. Denn in England, Frankreich und Belgien wurden schon seit langer Zeit Kinder mit Tuberkulose erfolgreich in Einrichtungen an der See behandelt und geheilt. In Hamburg griff man die Idee dann tatsächlich auf, leider fehlten jedoch dafür die Mittel.
1899 verstarb in Hamburg der jüdische Geschäftsmann Marcus Nordheim ( nach ihm wurde auch die Sahlenburger Nordheimstrasse benannt ) und hinterließ die beachtenswerte Summe von 1,5 Millionen Goldmark die danach in die neu gegründete Nordheimstiftung einfließen konnte.
Am 14.05.1903 erteilte dann endlich der Hamburger Senat die Genehmigung zur Errichtung des ersten Seehospitals auf seinem Staatsgebiet. Der Vorstand der Stiftung konnte nun im abgelegenen Sahlenburg ein 36 ha großes und ziemlich trostloses Dünen- und Heidegelände erwerben das auch klimatisch den Erfordernissen entsprach. Nach 2 Jahren Bauzeit erfolgte dann am 4. September 1906 die Einweihung des Seehospitals mit 80 Betten für Kinder.
Zur Eröffnungsfeier kamen immerhin 150 durchaus betuchte Gäste nach Sahlenburg die auch in der Rede aufgefordert wurden sich über weitere Geldzuwendungen oder die Finanzierung von Freibetten Gedanken zu machen. Dies war auch dringend notwendig da Tuberkulose oft Kinder aus ärmeren Bevölkerungsschichten traf und die normalen Kosten im Seehospital pro Woche bei ca. 20,00 Mark lagen ( es gab Ermäßigungen gestaffelt nach dem Einkommen ). Die Behandlungsdauer der Kinder war oft extrem langwierig und betrug bis zu 6 Jahre, ohne entsprechende Pflege durch ein gutes Personal wäre das völlig unmöglich gewesen. Diese Aufgabe sowie die Küche übernahmen dabei mit großem Erfolg und Engagement die Schwestern des Evangelischen Diakonievereins ev.Berlin-Zehlendorf.
Auf Grund der großen Erfolge mußte die Bettenkapazität bald erhöht werden. Zuerst wurden provisorisch einfache Holzbaracken errichtet die aber schon um 1912 in Steinhäuser umgebaut wurden.
Durch das großzügige Vermächtnisse von Mathilde Emden konnte dann 1914, noch vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges, das nach ihr benannte “ Mathilde Emden Haus “ als großer Erweiterungsbau eröffnet werden. Die der Stiftung dabei zur Verfügung gestellten Mittel reichten darüber hinaus sogar noch für die Senkung des Tagessatzes pro Patient um mehr als 10%.
Der Ausbruch des 1. Weltkrieges führte zur Schließung der Nordheimstiftung da das Gelände im Küstenverteidigungsgebiet lag. Die schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse nach dem Krieg sowie die folgende Inflation vernichteten die finanzielle Grundlage der Stiftung und der Hamburger Staat musste mit eigenen Geldmitteln einspringen. Der schlechte Gesundheitszustand der ärmeren Bevölkerung machte nun zusätzlich auch die Aufnahme von Erwachsenen notwendig und die Bettenkapazität erhöhte sich auf über 400.
Das Seehospital um 1939 ( ca. Angabe )
Im folgenden 2. Weltkrieg herrschte hier weiterhin rege Betriebsamkeit. Gebäude Erweiterungen entstanden, Kino und Bühnensaal kamen dazu und Bunker wurden angelegt. Der Name Nordheimstiftung mußte der alleinigen Bezeichnung Seehospital weichen denn auch hier war durch die Nazis das Auslöschen der Erinnerung an die jüdischen Gründer oberstes Gebot. Weitere Infos zu dieser Zeit habe ich leider bisher nicht entdecken können obwohl sicher ( meine persönliche Vermutung ) jede Menge Unterlagen, Bilder und Filme darüber existierten.
Das Seehospital in der 50er Jahren
Damals noch mit sehr gepflegter Parkanlage für die Patienten
Heute von oben gesehen noch immer sehr ansprechend, aber ...
Nach dem 2. Weltkrieg erfolgte eine umfangreiche Sanierung und Aufforstung des bis dahin ziemlich kahlen Geländes und es entstand eine regelrechte Parklandschaft. Heute überwiegt hier dichter Bewuchs mit reicher Tierwelt ähnlich einem kleinen Urwald und nur noch ein kleiner Teil der Klinik ist von der Strandstrasse nach Duhnen überhaupt noch zu erkennen.
Da auch die Tuberkulose kaum mehr auftrat konnte die Einrichtung durch neu Fachgebiete erweitert werden. 2002 übertrug die Nordheimstiftung den Betrieb des Seehospitals erfolgreich der Helios Kliniken Gruppe die am 18.12.2021 diese Klinik zum Bedauern geschlossen hat. Von den zahlreichen Gebäuden sind allerdings nur noch wenige in Gebrauch, der Rest verfällt zusehends und hinterläßt bei Besuchern keinen sehr positiven Eindruck. Leider wird auch durch Vandalismus und der offensichtlichen Freude am Zerstören der Eindruck verstärkt dass hier der Untergang nicht mehr aufzuhalten ist. Und die Zukunft ? Bis Dezember 2022 erfolgt hier jetzt die Unterbringung und Verteilung von Flüchtlingen aus der Ukraine, danach wird man wohl weitersehen.....
Trübe Aussichten für dieses einmalige Gelände an der Nordsee ??